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Anthropokosmus. Ein Plädoyer.

Das menschliche Universumszeitalter – eine anthropokosmische Utopie für das nächste Jahrtausend

„Prognosen sind schwierig – besonders wenn sie die Zukunft betreffen“ – Karl Valentin

Die zukünftige menschliche Entwicklung mal aus einer anderen Perspektive betrachtet. Inspiriert von einem Vortrag des Futurologen Anders Sandberg vom Future of Humanity Institute in Oxford.

Milchstraße, 24. Juli 3023. Vor tausend Jahren kam auf einem kleinen Planeten in der Milchstraße die lokal dominierende Spezies ins Zeitalter des explosiven Wachstums des Einflusses technologischer Neuerungen. Nach jahrhunderttausendelanger subsistenzwirtschaftlicher Turbomaloche katapultierten einige wenige Erfindungen (Buchdruck, Dampfmaschine, Kunstdünger, Computer, KI, etc.) den Homo Sapiens innerhalb von wenigen Jahrhunderten in ein neues planetares Zeitalter. In diesem sogenannten Anthropozän verformte die Menschheit ihren Heimplaneten „Erde“ aufs Äußerste und Innerste so grundlegend, dass die Lebensgrundlage dieser obskuren Spezies an die physikalischen Limits stieß.

Nur optimistisch denkend ließ sich damals das Gedankenexperiment durchführen, dass diese Spezies sich nicht selbst auslöschen würde. Doch trotz des Unglücksfalls, dass die Evolution diese fatale Mutation der Schimpansen-DNS, die menschlichen Gene, mit charakterlichen Schwächen wie dem Egoismus ausgestattet hat, die ultimativ in Kollektivproblemen wie unkontrolliertem Klimawandel und nuklear bewaffneten Weltkriegen mündeten, verfügte die Menschheit über ein profundes Verständnis der Natur und den Willen, fatale Katastrophen abzuwenden. Zudem überraschte sie mit überaus kreativen Problemlösungsansätzen, wie dem Instrumentalisieren quantenmechanischer Phänomene, z.B. um künstliche Intelligenz in Rechenmaschinen zu erwecken.

Diese paradoxe Externalisierung der für Homo Sapiens namensgebenden Weisheit resultierte neben allen Annehmlichkeiten des nicht-mehr-denken-Müssens in einem gigantischem Energiedurst der dafür nötigen Recheneinheiten. Die damit einhergehende Form der Ressourcenknappheit wurde durch die klimatisch notwendig gewordene Einlagerung von gefrorenem CO2 und dem zunehmenden Trend zur Kryonisierung sterblicher (aber eben potentiell wiederbelebbarer) Überreste aggraviert. Trotz der erkannten Äquivalenz von Masse und Energie, reichte das energetische Angebot des Planeten Erde und der Einstrahlung des nächsten Sterns, der „Sonne“, bei Weitem nicht aus, um die wachsende Nachfrage zu stillen. Der physikalisch einzige Ausweg aus dieser Mangellage war die Interstellarität der Menschheit, um mit der Masse bzw. Energie der umgebenden Galaxien den exponentiell wachsenden Energiesog der inzwischen verselbstständigten menschlich erschaffenen Intelligenzen gerecht zu werden.

Schon bald nachdem die ersten Sterne dem Energiehunger der künstlichen Intelligenz zum Opfer gefallen waren, erkannte man jedoch, was schon seit der Entdeckung der Expansion des Universums hätte klar sein müssen: Um die maximale Menge an Galaxien und damit Energie zu erreichen, muss möglichst weit gereist werden. Jedoch ist die zurücklegbare Strecke das Produkt aus Reisegeschwindigkeit und Reisezeit, wobei die Lichtgeschwindigkeit ein natürliches Geschwindigkeitslimit darstellt und die ablaufende Zeit bis zum Fiasko der Energielosigkeit der Menschheit enorm begrenzt war. Damit einher ging die Frage, ob es effektiver sei, früher mit langsamer Technologie loszufliegen, oder besser später zu starten und dabei schneller zu reisen, aber die relativistischen Nebeneffekte der Zeitdilatation und Raumkontraktion in Kauf zu nehmen. Man entschied sich für die erstere Variante und erreichte viele Lichtjahre entfernte Galaxien, wo man begann, Planeten in stellaren Orbits zu parken, um sie später zu nutzen oder Sterne per schwerkraftassistierter Schleuder dorthin zu katapultieren, wo man die Energie braucht. Und so kam es, wie es heute ist: das komplette Universum ist durchsetzt von Energiespeicher-Galaxien aus Menschenhand, die das Auftreten des Kosmos so sehr prägen, dass diese menschliche Überformung zum größten Einflussfaktor des Weltalls geworden ist.

Deshalb votiere ich heute dafür, das gewöhnliche Schema epochaler Einordnung in anthropokratische Planetenzeitalter aufzugeben und proklamiere feierlich den Beginn eines neuen Universumszeitalters: den Anthropokosmos. ■